Dry Age – eine Nachlese aus den USA

Eastern Market Washington DCFleischtheke im Eastern Market in Washington D.C.

Nachdem ich ja in meinem Rezept Rückwärts gegartes Dry Age Ribeye mit Farnspitzen, süßen Tomaten und Pastinakenpüree das US Prime Dry Age in den Himmel gelobt habe, durfte ich im Mutterland des US Prime und quasi bei den Erfindern des neuen Dry Aging eine ganz andere Erfahrung machen.

Uncle Jacks Steakhaus New YorkWährend unseres Aufenthalts in New York war für mich ein Besuch im Steakhaus obligatorisch. Auf Grund der bei mir total normalen etwas wirren Urlaubs- und Tagesplanung waren jedoch an meinem Wunschabend die üblichen Verdächtigen alle bereits ausgebucht. Nun ja, ich gebe zu, kein Wunder wenn man Samstags um 17 Uhr einen Tisch für 6 Personen für den gleichen Samstag für 19 Uhr bestellen möchte. Also kein Mortons, Wolfgangs, Del Friscos oder Lugers. Schade eigentlich, aber unser Concierge nannte uns ein Restaurant direkt um die Ecke von unserem Hotel, welches in der gleichen Liga spielt und vom Gayot in die TOP 10 der besten Steakhäuser von NYC gewählt wurde. Uncle Jack’s Steakhouse auf Ninth Ave. Ein Unternehmen mit 3 Restaurants in New York und jeder Menge Auszeichnungen. Schaut mal auf die Homepage.

Ein toller Laden, schon der erste Eindruck ist atemberaubend. Dunkles Holz, goldene Ornamente, viel Plüsch und Kitsch, aber alles in allem ein Interior und Ambiente zum Wohlfühlen. Jeder Menge Kellner, Chefs, Maitres und Saalkellner. Für unseren Tisch waren bestimmt 5 verschiedene Kellner verschiedener Hierachiestufen zuständig, von denen jeder seine eigene Aufgabe hatte. Um es vorweg zu nehmen, Service, Ambiente und auch das Essen waren von allererster Güte und spitzenmäßig (die Preise übrigens auch), bis auf, ja bis auf mein Fleisch. Obwohl das stimmt nicht, das Fleisch war top, aber lest selbst.

Ein Blick in die Karte und meine Wahl war getroffen. Prime Rib Chop bone in (aka Fred Flintstone) 35 Day Dry-Aged, 28 Ounces für 55 $, dazu Steak Fries für 8 $ und grünen Spargel für 12 $. Für die USA ganz schön happige Preise, im deutschen Vergleich aber für ein 800-g-Steak US Prime Qualität nicht wirklich teuer. Und dann kam mein Stück Fleisch:

Uncle Jacks Steakhaus New York

Wow, was für ein Hammer! Was auf dem Bild wirklich nicht gut zu erkennen ist, der Knochen ist knapp 40 cm lang. Die Köche haben den Rippenbogen bis vorne rum am Fleisch gelassen. Das relativiert auch die knapp 800 g, aber das nur am Rande. Das Stück Rib Chop war mehr als genug für mich. Doch schon als der Kellner das Fleisch servierte, machte sich am Tisch einen durchdringender Dry-Age-Geruch bemerkbar, wie ich ihn in dieser Intensität vorher noch nicht kennengelernt hatte. Aber der war nach dem ersten Bissen sofort vergessen. Ein Gedicht!

Ich habe die Angewohnheit beim Essen, mit das Beste immer bis zum Schluss aufzuheben, um mich während des Essens geschmacklich immer noch steigern zu können. Also den Knochen abnagen zum Finale, dachte ich mir und fing an der gegenüberliegenden Seite an mein Fleisch zu verzehren. Butterzartes Fleisch mit dem bekannten Dry-Age-Aroma, dass je weiter man in die Mitte des Stückes kommt, immer mehr abnimmt. Die Fleischqualität war excellent und ich hatte mein Fleisch schon halb verspeist, als mir erst einfiel, dass ich ja noch schöne krosse Steak-Fries und auf den Punkt gegarten grünen Spargel hatte. Dazu gab es es den selbstgemachten Tomaten-Dip, der eigentlich nur zu den Brötchen und der Butter vorweg gereicht wird. Aber der war so klasse, dass wir davon noch 2 Flaschen zum Hauptgang leerten. Ich näherte mich also meinem finalen Ziel, dem Knochen von der Seite und aß konsequent bis auf 1 cm an den Knochen heran. Ich bin übrigens der Meinung, dass Pommes und Knochen mit den Händen angefasst werden dürfen – ja, auch im Restaurant. Als ich denn nun endlich meinen Knochen in die Hand nahm und ich an der Knochenkante mit meinem Zähnen und voller Elan ins Fleisch biss, ergoß sich ein widerlicher und stinkender Geschmack auf meine Zunge und breitete sich in Sekundenschnelle in meinem ganzen Mund aus. Mir fiel der Knochen aus der Hand. Sowas Unangenehmes hatte ich bisher noch nie geschmeckt und es hätte nicht viel gefehlt und mein leckeres Steak hätte sich ganz schnell auf demselben Weg wie es gekommen ist, wieder von mir verabschiedet. Ich spuckte das Etwas aus meinem Mund so unauffällig es ging in meine Serviette und leerte dann die Karaffe mit dem Eiswasser in einem Zug.

Was war geschehen? Beim Dry-Aging vergammelt das Fleisch an der Oberfläche und wird vor dem Zubereiten großzügig weggeschnitten. Aber das klappt am Knochen nicht. Da kann man nicht einfach so wegschneiden. Da trifft einen das volle Aroma des gereiften und auch vergammelten Fleisch. Wirklich nicht schön. Wirklich nicht! Ich werde zukünftig um Dry-Age am Knochen einen weiten Bogen machen.

Aber dafür kann das Steakhaus nichts. Das Fleisch war erstklassig, der Service unaufdringlich nett und zum Schluss bekamen wir sogar eine Desservariation serviert, weil wir uns nicht entscheiden konnten. Also schaut bei Eurem nächsten New York Besuch doch mal dort rein.

Uncle Jacks Steakhaus New York

Uncle Jack’s Restaurant – Westside
440 Ninth Avenue (zwischen 34th St und 35th St)
New York, NY 10001
Tel: +1 212-244-0005
www.unclejacks.com

2 Responses to “Dry Age – eine Nachlese aus den USA

  • Hallo Thorsten,

    Auch ich war erst kürzlich in New York im Urlaub und muss sagen das diese Stadt einfach der Hammer ist. Aber als ich deinen Artikel lass kamen mir da einige Sachen bekannt vor auch mein Schatz und ich waren bei Uncle Jack`s Steakhouse und kann es nur bestätigen das die Fleischqualität wahnsinnig gut ist kein Vergleich zu Europa. Habe selten so gutes Fleisch gegessen. Das mit dem Knochen hast du gut erklärt aber wäre sicher gut gewesen wenn der Service drauf aufmerksam gemacht hätte 😉 Falls es dich interessiert wie ich New York erlebt habe würde ich mich freue wenn du meine Seite besuchst 😉

    Viele Grüße

  • Hallo Marcel, da schaue ich doch gleich mal bei dir vorbei.